Sonstiges - Zahlungsmoral
(letzte Aktualisierung:
2015-12-25)
Der ganze, leere Notizblock werde nicht reichen, "um alle Schweinereien aufzuschreiben", sagt Angelika Stöhr und knallt demonstrativ einen Stapel weißes Papier zusätzlich auf den Tisch.
Durch die Fenster des Büros kann die resolute Handwerkerfrau den Hof der kleinen Bau- und Möbelschreinerei überblicken. Seit 28 Jahren führt sie die Bücher und erledigt den Schreibkram des Familienbetriebes in Auernheim, einem kleinen Dorf eine gute Autostunde südlich von Nürnberg. Ehemann und Schreinermeister Heinrich arbeitet mit einem Gesellen die Aufträge ab.
Die Zeiten hätten sich gravierend geändert, sagt Angelika Stöhr. "Früher hat man mit den Kunden einen Auftrag abgesprochen, und beide Seiten haben sich an die Abmachung gehalten."
Heute sitzen die Stöhrs auf 42 Stühlen und 12 Tischen aus massivem Buchenholz, die ein Wirt bei ihnen bestellt und nicht bezahlt hat. Als er pleite ging, holten sie das Mobiliar ab - sicher ist sicher.
Dann ist da der Jurist, der sich ein Dutzend maßgefertigte Fenster in sein Haus hat einbauen lassen und nun beklagt, die Quersprossen seien drei Millimeter zu dick, und deswegen nicht zahlt. Nicht zu vergessen die Ladenbesitzerin, die das Geld für ihre neue Eingangstüre schuldig geblieben ist.
"Alles in allem laufen wir 20 000 Euro hinterher," rechnet Angelika Stöhr vor und wirft empört die Frage auf, "wie ein kleiner Familienbetrieb das bitteschön auf Dauer verkraften soll?"
Immer häufiger kaufen Privatleute und Firmen Waren und Dienstleistungen ein, bezahlen sie aber gar nicht oder erst nach vielen Mahnungen und Drohungen. Vorbei sind die Zeiten ehrbarer Kaufmannssitten, die Zahlungsmoral scheint verlottert zu sein wie nie zuvor.
"In den vergangenen acht Jahren ging es damit rapide abwärts", sagt Christian Groß, Rechtsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
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Die anderen knausern aus nüchternem Kalkül, denn wer nicht zahlt, ist im Vorteil. "Die alte Regel 'Gutes Geld für gute Arbeit‘ ist einigen heute nichts mehr wert," sagt der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen, Stephan Jender.
Die Europäische Kommission schätzt den jährlichen Schaden durch nichtbezahlte Rechnungen auf 23,4 Milliarden Euro und 450 000 verlorene Arbeitsplätze. Jede vierte Unternehmenspleite in der EU habe mit hohen Außenständen zu tun, heißt es in Brüssel.
Nach einer Erhebung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) aus dem Jahr 2005 haben 17 Prozent der Handwerker deswegen schon einmal Personal entlassen. Ein Viertel der Betriebe geriet in Existenznot. 2006 hat die anhaltend gute Konjunktur die Lage zwar etwas entspannt. Die Summe der Außenstände ist aber nach wie vor gigantisch.
Die Folgen vor allem für kleine Handwerksbetriebe sind fatal
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